Posts mit dem Label Hebbel werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Hebbel werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 28. Januar 2013

Der Mandelbaum

Bild von Leo Michels

Mandelbaum (Prunus dulcis) - Rosaceae (Rosengewächse)

Er ist Symbol für Wachsamkeit, Hoffnung, Eile und Hast, Wiedergeburt, Verkündigung, Fruchtbarkeit, Weg des Herzens.

Weitere Namen: almond, amandie, Nuxgracca, Amygdala, Luz

Eine Redewendung: "Wer eine süße Mandel essen will, muss die harte Schale zerbrechen."

Die Blumensprache sagt: "Schon früh entfaltest du himmlische Reize."

Aus dem Büchlein der Charlotte de Latour:

Der Mandelbaum - Unbesonnenheit, Unbedachtsamkeit
Als ein Symbol der Unbesonnenheit, folgt der Mandelbaum zuerst dem Rufe des Frühlings. Kein Baum ist so frisch und so freundlich, als dieser, wenn er in den ersten Tagen des Märzes schon mitten in den noch blätterlosen Gärten, mit Blüthen bedeckt, sich zeigt.

Nachtfröste zerstören oft die zu frühzeitigen Keime seiner Frucht; aber es ist eine sonderbare Erscheinung, daß ein solcher Frost seine Blüthen nicht welk macht, sondern sie vielmehr noch in schönerem Glanze strahlen. Eine Reihe Mandelbäume, von dem kalten Reife der vergangenen Nacht weiß gefärbt, erscheint den Tag darauf in rosenrothen Blüthen, und erst nach einem Monate, wenn der ganze Baum schon in der Fülle seiner grünen Blätter steht, fallen sie zur Erde.

Nach einem Mythos hat der Mandelbaum seine Entstehung einem rührenden Ereignis zu danken. Demophron, der Sohn des Theseus und der Phädra, wurde, als er von der Belagerung Trojas zurückkehrte, durch einen Sturm an die Küste von Thracien verschlagen, das damals unter der Herrschaft der schönen Phyllis stand. Diese junge Königin nahm den Verunglückten sehr gastlich und liebreich auf; sie verliebte sich in ihn und machte ihn zu ihrem Gemahl.

Demophrons Vater starb und er mußte deshalb nach Athen zurückkehren. Bei'm Abschiede versprach er seiner Gemahlin, nach Verlauf eines Monats zurückzukehren, und bestimmte genau den Tag seiner Ankunft. Die zärtliche Gattin zählte, während seiner Abwesenheit, jede Minute mit Ungeduld. Endlich brach der sehnlichst erharrte Tag an. Phyllis eilte neunmal an's Ufer, aber kein Schiff ließ sich blicken. Da endlich alle Hoffnung, ihre Sehnsucht erfüllt zu sehen, und den Geliebten wieder in ihre Arme zu schließen, aus ihrem geängsteten Herzen schwand, ergriff sie ein so heftiger Schmerz, daß sie todt zur Erde sank. Sie wurde in einem Mandelbaum verwandelt. Nach drei Monaten fand sich Demophron wieder ein. Er war außer sich vor Gram und um die Manen seiner Geliebten zu sühnen, veranstaltete er ein großes Opfer an dem Ufer des Meers. Phyllis schien selbst noch unter der Rinde des Mandelbaums gerührt von dieser Reue des Wortbrüchigen und erfreut über seine Rückkehr, denn plötzlich standen seine Zweige in den schönsten Blüthen. Sie bewies dadurch, daß selbst der Tod ihre Gesinnungen und Gefühle nicht hatte ändern können.

Es wehet oft von Trauerweiden und Cypressen
Auf eines heißgeliebten Toten Grab,
Dem Trauernden der leise Trost herab:
"Ich werde dich auch jenseits nicht vergessen."

(Aus "Die Blumensprache oder Symbolik des Pflanzenreichs. Nach dem französischen der Frau Charlotte de Latour von Karl Müchler. Berlin 1820 - Die Schreibweise wurde beibehalten.)

Gedichte

Das Opfer des Frühlings

Sah ich je ein Blau, wie droben
Klar und voll den Himmel schmückt?
Nicht in Augen, sanft gehoben,
Nicht in Veilchen, still gebückt!
Leiser scheint der Fluß zu wallen
Unter seinem Widerschein,
Vögel schweigen, und vor allen
Dämmert meine Seele ein.

Doch, es gilt auch eine Feier!
Schaut den Lenz im Morgenglanz!
Hinter grauer Nebel Schleier
Flocht der Jüngling sich den Kranz.
Wenn sein Hauch, die Nebel teilend,
Ihn zu früh schon halb verriet,
Wich er scheu zurück, enteilend
In ein dunkleres Gebiet.

Dennoch stehn, ihn zu empfangen,
Seine Kinder schon bereit:
Rose mit den heißen Wangen,
Mandelbaum im weißen Kleid!
Veilchen, die des Sommers Brüten
Bald erstickt, sie harren auch,
Keusche Lorbeern selbst erglühten;
Denn sie alle traf sein Hauch.

Nun, mit fast verschämtem Lächeln,
Zieht er ein ins schöne Reich;
Ihm die glühnde Stirn zu fächeln,
Nahn die Morgenwinde gleich.
Doch, ihn selber kühlend, stehlen
Sie so viel der holden Glut,
Als, die Blumen, die noch fehlen
Zu erwecken nötig tut.

Flugs nun auf den leichten Schwingen
Eilen sie durch Hain und Tal,
Und vor ihren Küssen springen
Spröde Knospen ohne Zahl.
Jeder Busch, wie sie ihn streifen,
Wird zum bunten Blütenstrauß,
Und die Wurzeln, die noch steifen,
Treiben erstes Grün heraus.

Doch nun löst sich, alle Farben
Zu erhöhn und allen Duft,
Das verschluckte Licht in Garben
Reinen Goldes aus der Luft.
Sind das Strahlen? Sind das Sterne,
Die der Tag in Flammen schmolz?
Alles funkelt, nah und ferne,
Berg und Wald, ja Stein und Holz!

Horcht! Vor diesem Glanze fahren
Auch die Vögel aus dem Traum,
Drin sie still versunken waren,
Wieder auf im blauen Raum;
Aber dick und rauchend steigen
Wolken heißen Dufts empor,
Und nun fällt ins dumpfe Schweigen
Neu betäubt zurück ihr Chor.

Fürder, immer fürder schreitend,
Kommt der Jüngling an den Fluß,
Der, sich rings ins Land verbreitend,
Alles tränkt, was trinken muß.
Aber heute möge dürsten,
Was da will, er hält sich an
Und versucht, ob er den Fürsten
Durch sein Bild nicht fesseln kann.

Denn, wenn dieser, süß betroffen,
Hier sich selbst im Spiegel schaut,
Krönt sein Blick das leise Hoffen,
Dem die Welle still vertraut;
Sei er noch so schnell und flüchtig,
Jene Lilie wird geweckt,
Die, wie keine, keusch und züchtig,
Sich in ihren Schoß versteckt.

Und wie sollte er nicht säumen?
Sieht er denn sich selber nur?
Nicht zugleich, die seinen Träumen
Leben gab, die blühnde Flur?
Wenn’s ihn auch vorüber triebe
An der eignen Huldgestalt,
Fesselte ihn doch die Liebe
An die Braut mit Allgewalt.

Ach, er zögert wonnetrunken!
Aber lange bleibt er nicht
In den süßen Rausch versunken,
Nein, er wendet das Gesicht!
Denn ihm sagt ein innres Stocken,
Daß die Götter neidisch sind,
Und ihm deucht, mit seinen Locken
Spiele schon ein andrer Wind.

Da beschleicht ihn dumpfe Trauer,
Ihm erlischt der Wange Rot,
Und ihn mahnt ein kalter Schauer
An den Tod, den frühen Tod;
Doch, von dem durchzuckt, entzittert,
Wie von selbst, sein Kranz dem Haar,
Der die Ew’gen ihm erbittert,
Und sein Fuß zertritt ihn gar.

Plötzlich Stille jetzt! Die Winde
Ruhn, wie auf ein Zauberwort,
Doch in jedem Frühlingskinde
Bebt der Todesschauer fort,
Und ein hast’ger Blüten-Regen
Macht das duft’ge Opfer voll,
Das verhaltnen Fluch in Segen,
Haß in Liebe wandeln soll.

Aber nun den stolzen Wipfel
Jeder Baum zur Erde neigt,
Nun auf hohem Berges-Gipfel
Selbst der Kühnste Demut zeigt,
Nun erhebt der Jüngling wieder
Sanft das Haupt, das er gesenkt,
Und ein Ölblatt säuselt nieder,
Das versöhnt der Neid ihm schenkt.

Friedrich Hebbel