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Sonntag, 7. April 2013

Der Veilchen- und Vergißmeinnicht-Strauß

Der Veilchen- und Vergißmeinnicht-Strauß


Der Frühling war wieder in das See-Thal hernieder gestiegen wo Grifeldis den Sitz ihrer Ruhe aufgeschlagen hatte. Alles blühte, keimte und duftete wieder; Alles erwachte wieder aus dem Winter-Schlummer und zeigte neues Leben, und bot seinen Frühlingsgruß.

Vom neuen Reize der Natur gelockt, hatte denn auch ein junger Fischer seine Hütte verlassen und war im leichten Kahne, bewegt vom taktmäßigen Ruderschlage, nach einer fern entlegenen, aber stillen Bucht gefahren, und hatte sich daselbst auf einem Uferplatze gelagert, wo das zarte und seidene Rasengrün üppig empor wuchs und tausend süß duftende Blümchen dasselbe schmückten. Erfreut durch den überraschten Anblick derselben, beschloß er nun, Sträuße aus denselben zu binden, um sie bei seiner Rückkehr den Fischerkindern zu geben,

Nicht weit von der Uferselle, wo er von des Ruderns Müh' ausruhte, und über den Zauberspiegel des Sees erfreut hinsah,- floß aber auch eine kleine, sanft murmelnde Quelle, an deren von erquickendem Naß sanft berührten Borde die lieblichsten Veilchen und Vergißmeinnicht im zarten Frühlingsgrün prangten und von duftigem Gebüsche beschattet waren. -

Warte, sprach er zu sich, da muß ich mir einen wohlriechenden Strauß für meine vielgeliebte Schwester binden, die mir immer so emsig und willig die von den Fischen zerrissenen Netze flickt und auch neue immer strickt, während ich auf der Höhe des Wassers dem Fischfang nachgehe.

Ich weiß es: se liebt die Blumen über Alles und am meisten die Veilchen und Vergißmeinnicht. Sprachs: und pflückte mit stiller Freude die neugebornen Blümchen und einte sie zu einem wundersamen schönen Strauße.

Entzückt über den reichen Schatz den er daselbst gefunden in der trauten Dunkelheit des Schattengebüsches und am freundlichen Ufer des klaren Sees, kehrte er nun von seiner Fahrt zurück und vertheilte die Blumen unter die Kinder der übrigen Fischer, die ihn schon am Ufer erwarteten; denn se hatten ihn sehr gerne und nannten ihn den lieben Peter. Aber wie er eben im Begriffe ist, dem Einen diesen, dem Andern einen andern Blumestrauß zu geben, und auch schon den letzten vertheilt, siehe, da tritt aus einem Schattengebüsch unvermuthet seine einzige vielgeliebte Schwester hervor. Das ist schön, rief sie in holdseliger Rede, daß du den Kindern so hübsche Sträuße gibst. Was bringst du aber wohl der Schwester?

Da wies der junge Fischer lächelnd auf zartes Ufergras in seinem Kahne, unter welches er den Veilchen- und Vergißmeinnichtstrauß verborgen hatte, Dieses Grün? sprach die junge Fischerin, bin ich denn nicht auch eines Straußes werth?

Doch ehe noch dieselbe weiter gesprochem hob Peter, der junge Fischer, den Veilchen - und Vergißmeinnichtstrauß aus dem frischen und freundlichen Grün hervor und reichte ihn der viel geliebten und fleißigen Schwester. In demselben Augenblicke ertönte wieder das Glöcklein der See-Capelle in der Fülle seiner Silberklänge nicht anders als wollte es seinen Beifall in vernehmbarer Stimme über die gegenseitige Geschwister-Liebe bezeigen, und tönte fort und fort bis Beide wieder in ihre Hütte, in den stillen Raum ihrer Wohnung getreten waren.

(Franz Tauber)

Dienstag, 29. Januar 2013

Adonisröschen - Anemone

Im Jahr 1843 erschien ein Buch von Franz Tauber mit dem Titel "Blumen-Sprache entwickelt in kleinen Erzählungen". Leider finde ich nirgendwo eine Biographie dieses Schriftstellers. Ich möchte trotzdem einen kleinen Ausschnitt seiner Erzählungen bringen. 

Adonisröschen - Bild von Leo Michels

Adonis-Auge

Mädchen-Ehre ist geschliffener Stahl! Ein Hauch und er erblindet. Des Morgens frischer Hauch belebte die Natur und die ländliche Stille unterbrach noch sein Laut. Da war Frau von Thalberg mit ihrer geliebten Tochter Amalie in den an ihren ländlichen Wohnsitz traulich anstoßenden Blumengarten gewandelt, um die Kühle des Morgens zu genießen - Und siehe! Sie schritten von einem Blumenbeete zum andern und bewunderten die Schönheit derselben, die Pracht der Blumen, die darin keimten, und den süßen balsamischen Duft, den sie allenthalben verbreiteten - hier die Rosen, dort die Nelken, hier die Jasmin, dort die Aurikel. - Aber indem sie entzückt von einem Beete zum andern wandelten und mit wohlgefälligem Bilde den Flor derselben betrachteten, siehe, da kamen sie auch zu einem, wo das Adonis-Auge in holder Gestalt blühte und den Blick der Erstaunten auf sich zog und lieblich zu gemüthlicher Betrachtung lud. - Kennst du dieses Blümchen und seine Bedeutung, weißt du sie?  Und Amalie antwortete in kindlich herzlichem Tone: "Naja, liebe Mutter." Da sprach die Letztere mit zärtlichen Worten: Siehe! es ist das Adonis-Auge. Betrachte es nur mit liebreichem Blicke; denn seine Bedeutung ist so schön, so sinnig, so beachtenswerth. Mädchenehre sagt es, dir zuflüsternd, ist geschliffener Stahl! Ein Hauch und er erblindet.

Anemone nemorosa Busch-Windröschen
Bild von Leo Michels
Diese herzliche und mütterliche Rede machte tiefen Eindruck auf Amaliens Herz. So oft sie, von dieser Zeit an, an der Seite der treuliebenden Mutter den blumenreichen, von artigen Gebüschen umschatteten Garten besuchte, war das Adonis-Auge eine er ersten Blumen, welcher Amalie ihre Aufmerksamkeit schenkte und auf der ihr Blick vorzugsweise ruhte. Auch strebte sie nach Kräften, das stets vor Augen zu haben, was des Blümchens sinnige Bedeutung sagt; und so wurde sie die Freude und der Stolz ihrer Eltern und die Bewunderung der übrigen Welt.
(Franz Tauber - Blumen - Sprache in kleinen Erzählungen)
(Die Schreibweise wurde beibehalten)

Ob bei der Beschreibung der Blume die Anemone oder das Adonisröschen gemeint war, konnte ich leider nicht feststellen. Ich vermute, dass das Adonisröschen beschrieben wurde. Auch die Sprache, die Art und Weise der Beschreibung trifft wohl eher nicht mehr den heutigen Geschmack. Allerdings sagt es doch einiges aus über den Bezug der Menschen der damaligen Zeit zu der Natur und den Pflanzen. Das Sommer Adonisröschen war die Blume des Jahres 1984. Die Blütezeit ist von Mai bis Juni.